Ein bisschen Bye Bye: Der Brexit und seine umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen

10. Februar 2020 | Lesedauer: 3 Min

Nach der Zustimmung des britischen Unterhauses und des britischen Oberhauses letzte Woche hat gestern Abend nun auch das EU-Parlament dem Brexit-Austrittsabkommen zugestimmt. Mit Ablauf des 31. Januar 2020 wird das Vereinigte Königreich die Europäische Union damit endgültig verlassen.

Lange Zeit stand ein sog. harter Brexit im Raum, der zu großer Verunsicherung bei den betroffenen Unternehmen beigetragen hat. Dies lag auch in der mehrfachen Verschiebung des Austrittstermins in der Vergangenheit begründet.

Durch das Austrittsabkommen (Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft) wird das erwartete Durcheinander nun zunächst verhindert. Darin ist eine Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020 vorgesehen, in der trotz des Brexits weiterhin das Unionsrecht anwendbar bleibt. Während der Übergangsphase, die ggf. nochmal verlängert werden kann, sollen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU-Regelungen für den Zeitraum danach getroffen werden.

Bis zum Ablauf der Übergangsphase wird es für Warenlieferungen aus der EU in das Vereinigte Königreich und umgekehrt aus umsatzsteuerlicher Sicht jedoch keine Änderungen geben. Auch für Dienstleistungen sind während diesem Zeitraum keine Änderungen ersichtlich.

Das Abkommen sieht jedoch vor, dass etwaige Vorsteuer-Vergütungsanträge für das Jahr 2020 von EU-Unternehmern im Vereinigten Königreich und umgekehrt bereits bis zum 31. März 2021 einzureichen sind.

Umsatzsteuerliche Registrierungen, die Unternehmer bereits rein vorsorglich im Vereinigten Königreich für die Zeit nach dem Brexit beantragt haben, sind während der Übergangsphase unbeachtlich und werden erst anschließend wirksam. Unklar ist derzeit, ob eine im Vereinigten Königreich beantragte EORI-Nummer bereits ab 1. Februar 2020 verwendet werden kann, da Unternehmen grundsätzlich nur über eine EORI-Nummer innerhalb der EU verfügen dürfen.

Nach Ablauf der Übergangsphase würden sich für Unternehmen, die Liefer- und Leistungsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich unterhalten, nach derzeitigem Stand insbesondere folgende umsatzsteuerliche Konsequenzen ergeben:

  • Lieferungen in das Vereinigte Königreich, die bisher als innergemeinschaftliche Lieferungen zu beurteilen waren, sind dann als Ausfuhrlieferungen und Erwerbe aus dem Vereinigten Königreich, die bisher als innergemeinschaftliche Erwerbe zu beurteilen waren, als Einfuhren zu qualifizieren. Insoweit sind zoll- und außenwirtschaftsrechtliche Besonderheiten zu beachten sowie die Erhebung von Einfuhrumsatzsteuer und eventuellen Einfuhrzöllen.
  • Die Vereinfachungsregel für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte wird dann nicht mehr anwendbar sein, da Voraussetzung hierfür ist, dass alle Unternehmer Umsatzsteuer-Identifikationsnummern von jeweils verschiedenen EU-Mitgliedstaaten verwenden.
  • Verbringungsvorgänge von eigenen Waren aus der Europäischen Union in das Vereinigte Königreich stellen dann ein sog. rechtsgeschäftsloses Verbringen im Abgangsland dar. Umgekehrt sind dann regelmäßig Einfuhrumsatzsteuer und eventuelle Einfuhrzölle fällig.
  • Die Versandhandelsregelung des § 3c UStG für grenzüberschreitende Lieferungen an Privatpersonen innerhalb der Europäischen Union ist dann für Lieferungen in oder aus dem Vereinigten Königreich nicht mehr anwendbar.
  • Die durch die Quick Fixes 2020 implementierte und EU-weit gültige Vereinfachungsregelung für Lieferungen in Konsignationslager sind dann insoweit nicht mehr anwendbar.
  • Nach Ablauf der Übergangsphase wird sich die Verfahrensweise im Vorsteuervergütungsverfahren ändern.
  • Für Finanzdienstleistungsinstitute besteht durch einen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union die Chance, bei Umsätzen i.S.d. § 4 Nr. 8 UStG an Unternehmen oder Privatpersonen mit Ansässigkeit in einem Drittland, den Vorsteuerabzug aus zusammenhängenden Eingangsleistungen voll auszuschöpfen.

Eine Ausnahme ist bezüglich Nordirland vorgesehen, da insoweit die EU-Regelungen auch nach Ablauf der Übergangsphase anwendbar bleiben sollen.

Die genauen Regelungen, die während der Übergangsphase für die Zeit nach dem Ablauf vereinbart werden, bleiben jedoch abzuwarten. Auch wenn durch das Austrittsabkommen und die Übergangsphase zunächst ein harter Brexit vermieden wird, sollten sich Unternehmen rechtzeitig vorbereiten, Systemanpassungen frühzeitig vornehmen und insbesondere bei Neuabschlüssen von Verträgen die weitere Entwicklung beobachten sowie die ggf. vereinbarte Rechtslage ab 01.01.2021 berücksichtigen. Aufgrund des relativ kurzen Zeitraums könnte es optimistisch sein, dass bis Jahresende tatsächlich entsprechende Vereinbarungen verhandelt werden können, weshalb das Risiko eines harten Brexits nicht endgültig vom Tisch ist.